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Jan Markowsky

Schlafen für die Kunst - Die Nacht auf der Biennale

Es mag ein Zufall sein oder auch nicht, diesmal traf der mit Barbara Caveng vereinbarte Termin zur Nutzung von "TRAUM" mit der Eröffnung der Biennale zusammen. Dementsprechend war auch das Aufsehen, dass ich, ein Mensch ohne festen Wohnsitz, also ohne eigene Wohnung, erregt hatte. Ob Kunst ein Mittel ist, die Kommunikation zu fördern... Lesen Sie selbst.

22.0 Ich bin dieses Mal pünktlich da, was insofern schwierig war, weil Bürgersteige und Strasse voller schlendernder Menschen sind und so ein Gehen in meinem normalen Tempo ausgeschlossen ist. Barbara ist noch nicht da, das Bett ist aufgeklappt.
Ich packe meinen Schlafsack aus und ziehe meinen Anorak aus. Weil das Internet im Vereinscafé nicht funktioniert, bin ich über Niederschläge nicht informiert. Abwarten was passiert gilt diesmal auch für das Wetter.

Das Hinlegen macht erstaunlicherweise wenig Ausehen. Ich liege noch nicht ganz erscheint Barbara. Kurzer Talk über den Tag und die Biennale. Ich versichere ihr, dass ich mit den vielen Menschen keine Probleme habe- ich muß mich nicht verstecken.

Barbara zieht sich zurück, das Abenteuer kann beginnen. Klar, ich lasse das Licht erst einmal brennen. Trotzdem ist das Interesse am Schlafen in der Öffentlichkeit zunächst erstaunlich gering: Ich werde von den Passanten nicht wahrgenommen. Zuerst jedenfalls.

Nach einer Weile werde ich im Vorübergehen wahrgenommen, später bleiben einzelne Menschen stehen, schauen mich ratlos durch die Scheibe an. Ich, weniger ratlos, grüße mit einem freundlichen Hallo und einem Lächeln. Einige bleiben wortlos stehen, Andere gehen schnell weiter.

Zwei junge Männer kommen vorbei, die fast schon obligate Bierflasche in der Hand, kommen in die Nische: "Ich wollte hier schlafen!" Ich mache ihm klar, dass er da diesmal zu spät gekommen ist. Ich kann nicht beurteilen, ob es ihm mit seinem Anliegen ernst war. Wenn ja, dann ein großes Kompliment an ihn. Er verabschiedet sich freundlich von mir und wünscht noch eine gute Nacht. Die Freundlichkeit wird mit Freundlichkeit beantwortet.

Immer mehr Menschen, viele weichen wegen der schmalen Bürgersteige auf die Strasse aus, dazwischen parkende und fahrende Autos, von meinem Beobachtungsplatz sieht es einige Male recht gefährlich aus.

Langsam bilden sich Menschentrauben vor dem Bett: Wenn ein Mensch mich wahrgenommen hat und stehen bleibt, gesellen sich im Nu so viele Menschen dazu, dass ein Durchkommen so gut wie unmöglich ist. Zu einem Gespräch kommt es trotzdem nicht, genauer zunächst nicht. Es scheint dem Klischee von Obdachlosen zu widersprechen, dass ein Mensch ohne Wohnung, der in der Öffentlichkeit schläft, fähig ist, sich differenziert zu artikulieren. Es ist schon schade, dass sich die Menschen nicht trauen mich anzusprechen. Es ist schon schade, weil so die Chance vertan wird, von einer Lebenswirklichkeit zu erfahren, mit der sie nicht oder zum Teil noch nicht zu tun haben.

Halt! Stopp!! Eine Ausnahme gibt es doch: Eine junge Frau rät mir freundlich, das Licht zu löschen. Ehe ich antworten kann, ist sie weiter gegangen. Schade.

Und dann ist eine junge Frau, die mich ausgiebig fotografiert. Ob ich ihr deshalb böse bin? Wer sich wie ich in der Öffentlichkeit
präsentiert, muss sich, Recht am eigenen Bild und Datenschutz hin oder her, gefallen lasse, abgelichtet zu werden.

Die Menschentrauben lösen sich nur langsam auf. Es scheint, als ob die Menschen über mein Liegen hier ratlos sind. Liegen hier? Ja, noch schlafe ich ja nicht.

Dann gibt es doch Kommunikation. Viele Menschen kommen in Gruppen, da gibt es schon Gespräche- untereinander. Ich kann leider nicht verstehen, was sie sich zu sagen haben. Schade. Schade auch, weil die Stimmung friedlich und gelöst ist, eigentlich wie geschaffen, Klischees zu hinterfragen.

Ich werde müde, lösche das Licht. Da höre ich einen Jugendlichen: "Guck mal, `nen Penner!" Er ist mit seinen Begleitern rasch vor der Scheibe und sehe sofort, die Jungs sind nicht aggressiv drauf. Sie bleiben eine Weile stehen, lachen und gehen dann weiter.

Ich kann also einschlafen. Daran werde ich von einer älteren Frau, der ich auf der Ausstellungseröffnung begegnet bin, gehindert. Sie erklärt mir, dass sie das Bett aufgeklappt habe, um dem Publikum zu erklären, was es sich mit dem Objekt "TRAUM" auf sich habe. Wegen meiner Müdigkeit wird daraus kein ausgiebiges Gespräch. Wieder schade. Schlafe endlich ein.

Einsetzender Regen veranlasst mich zum Abbruch der Aktion. Matratzen sind eben empfindlich gegen Nässe. Ich kann nicht sagen, wann das ist. Es ist noch dunkel. Da aber Barbara, die Schöpferin des "TRAUM" mich um zwei Uhr hat friedlich schlafen sehen, muss es einige Zeit nach zwei Uhr sein.

 

Jan Markowsky, geb. 1949 in Greifswald, lebt seit 2001 ohne eigenen Wohnsitz.
Er ist Vorsitzender des Vereins Unter Druck - Kultur von der Strasse e.V.
in der Oudenaerstrasse 26, 13347 Berlin. www.unter-druck.de

Jan wird während des Ausstellungszeitraumes von alles im eimer vom 10.3. - 15.4. jeden Freitag ab 22 Uhr
im Bett T.R.A.U.M in der Auguststrasse 65 direkt neben der Galerie Blickensdorff übernachten.

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